Jede:r denkt, es ist angeboren und einfach, trotzdem scheitern viele (alltägliche) Situationen daran: Das Zuhören. Macht für die einen, Superkraft für die anderen - eher fremd für viele. Eine kleine Liebeserklärung an eine Voraussetzung für guten Austausch.
Beobachtest du aktiv, was mit dir passiert, wenn dir jemand zuhört? Wirklich Gehör schenkt. Beobachtest du aktiv, was mit dir passiert, wenn du jemandem zuhörst? Wirklich zuhörst. Zuhören kann eine Macht sein. Ernsthaft geübt und achtsam eingesetzt, ist es aber eher eine spannende Superkraft. Ich erlebe es, dass das bewusste Zuhören meinem Gegenüber eine Kraft verleiht. Die Kraft, sich selbst zu reflektieren und Probleme in der eigenen Art zu lösen.
Zuhören schafft Basis
Echtes Zuhören - mit ungeteilter Aufmerksamkeit - ist der pure Ausdruck von Wertschätzung. Damit macht man dem Gegenüber ein Geschenk. Man bietet einem Wesen Raum, in dem es wahrgenommen und gesehen wird. Wozu das gut ist? Aufmerksamkeit für das Gesagte, das Geteilte, zeigt Interesse und Wichtigkeit. Und wenn die eigenen Themen als wichtig empfunden werden, wird auch das Individuum dahinter als wichtig wahrgenommen. Et voilà: Der Selbstwert wird gespürt und kann gesteigert werden. Wer Raum erhält, wird akzeptiert, wer Raum gibt, akzeptiert. Was auf diese geschenkte Akzeptanz folgt, ist der Nährboden für viel, viel mehr. Es bietet eine Basis für Vertrauen, Entwicklung und Fortschritt. Einfach ausgedrückt: Der Mensch entwickelt so das Gefühl, dass die eigenen Gedanken grundsätzlich wertvoll sind. Und auf diesem wohlwollend genährten Boden hat es Platz für Wachstum.
Das Wie
Ja, die Ohren sind relevant. Aber gutes Zuhören ist viel mehr. Auch Mimiken und Gestiken können ohrenbetäubend sein, alle Sinnen sind Teil des Zuhörens. So wird das Zuhören zu einem Hineinspüren. Begleite ich jemanden, können Nuancen den Unterschied machen: Unsicherheiten beim Formulieren, ein Zögern, ein Leuchten in den Augen, eine begeisterte Stimmlage, Denkpausen, Wiederholungen oder ein schlichtes Schweigen. Das Dazwischen spielt ebenso eine Rolle wie das Ausgesprochene. Aber wer nun annimmt, dass es konstante, hyperanstrengende Beobachtungsarbeit ist, der kann durchatmen. Das Zuhören auf der Sinnebene ist oft auch Ausdruck eines gut geschulten Unterbewusstseins und einer gesunden Portion wohlwollender Neugier. Aber Achtung: Nur weil man zuhört, hat man das Gehörte noch lange nicht verstanden. Aber das Verstehen ist ein Thema für sich…
Zuhören als Instrument
Bei der Erarbeitung dieses Textes kam die Frage auf, wonach ich beim Zuhören suche. Ich suche mehrheitlich nach Mustern. Bewusste und unbewusste Muster. Beispielsweise Muster in Form von Unterschieden oder Differenzen. Wo beschreibt ein Gegenüber einen Wunsch, ein Bedürfnis oder eine Zielvorstellung? Wo eine Erwartung, an sich oder andere? Wo unterscheiden oder überschneiden sich diese Bilder? Wird das Privatleben oder das Berufsleben angeschnitten, oder beides? So lässt sich mit der Zeit eine wunderbar mehrdimensionale Karte eines Menschen zeichnen. Und ist die Karte erstmal ein bisschen klarer gezeichnet, kann man die Navigation in Angriff nehmen.
Aber Achtung: Intimität
Wo man loslässt, sich sicher fühlt und zulässt, da lauern auch Gefahren. Intensives Zuhören kann überfordern und negative Gefühle auslösen. Beidseitig. Wo das Zuhören ist, darf die echte Empathie nicht weit sein. Zuhören ist sehr intim und die Empathie bewahrt uns vor einer Grenzüberschreitung. Und ja, die Grenze zu wahren ist oft ein Balanceakt. Aber warum? Ein Grund könnte sein, dass wir es nicht mehr gewohnt sind, einander wirklich zuzuhören. Machen wir einen Sprung zurück in der Zeit, war das Zuhören integraler Teil der Gesellschaft. In der Gemeinschaft sass man um das Feuer und horchte dem Ältesten. Oder die Mütter erzählten Geschichten. Heute wird Multitasking als Stärke wahrgenommen, Big Data wird gesammelt und die Aufmerksamkeitsspanne liegt inzwischen nur noch bei acht Sekunden. Die Isolation und die Anonymität haben Einzug gehalten, die Mehrzahl der Menschen sind nicht mehr in Gemeinschaften eingebettet und betreiben einen beachtlichen Aufwand, um sich selbst - den eigenen Gedanken - nicht zuhören zu müssen: Eskapismus statt Hineinhorchen. Kein Wunder also, ist das bewusste Erzählen und Zuhören ein Schritt aus der Komfortzone des modernen Menschen. Als Zuhörende:r überschreitet man die durchschnittliche Aufmerksamkeitsspanne um ein Vielfaches. Als Erzählende:r tritt man mit den eigenen Gedanken aus dem Schatten, macht sich transparent(er) und durchschaubar(er). Beides darf als Höchstleistung verstanden werden, und darf trainiert werden.
Ob bei Kindern, bei Teenagern, bei Alten oder Jungen, ob krank oder gesund, ob nahestehend oder fremd: Das bewusste Zuhören kann also viel freilegen und das Gegenüber lässt mutig zu. Genau dies macht einen wertvollen Perspektivenwechsel und damit wertschätzende Kommunikation möglich. Und mal ehrlich, wo ist gute Kommunikation nicht relevant?
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